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Die sizilianische Cosa Nostra

Die sizilianische Cosa Nostra entstand wahrscheinlich in den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts aus den Strukturen der Gabellotti, weitgehend korrupter Statthalter, welche die Güter der zumeist adligen Großgrundbesitzer vor aufständischen Bauern und Briganten zu schützen hatten. Im Lauf der Geschichte Siziliens verloren jedoch die vordem meist aus dem nördlicheren Italien stammenden mächtigen Familien die Kontrolle, Einfluss und schließlich ihren Besitz an die ursprünglich von ihnen selbst eingesetzten Verwalter. Regional gab es auch Verschmelzungen der Gabellotti mit dem sizilianischen Brigantismus. Die Präsenz der Cosa Nostra ist am stärksten in Westsizilien. Palermo, die Hauptstadt Siziliens, hat die größte „Familiendichte“ und in fast allen Stadtteilen existiert eine Familie.

Die Basisorganisation der Cosa Nostra ist die so genannte Familie, die ein Territorium kontrolliert (eine Ortschaft, ein Gebiet von Ortschaften oder ein Stadtviertel). Die Größe der einzelnen Familien variiert stark. So hatte die Familie ‚Santa Maria di Gesù‘ aus Palermo Anfang der 1980er Jahre zirka 200 Mitglieder, während es durchaus auch Familien mit weniger als 10 Mitgliedern gibt. Die lange dominierende Familie der Corleoneser bestand im Jahr 1993 aus 38 Mitgliedern.[1]

In die Cosa Nostra tritt man durch Hinzuwahl (Kooptation) oder Aufruf ein. Ein Kandidat tritt fast immer der Familie seines Geburtsortes bei. Vor dem Beitritt wird die Familie (auch die Vorfahren) des potenziellen neuen Mitglieds streng überprüft. Sind oder waren Verwandte Polizisten, Staatsanwälte oder Zuhälter, ist die Aufnahme ausgeschlossen. Um sich für die Mitgliedschaft zu qualifizieren, muss der Kandidat im Vorhinein eine Prüfung bestehen. Dies ist normalerweise ein schwerer krimineller Akt, häufig ein Mord oder ein bewaffneter Raubüberfall. Der Kronzeuge Antonino Calderone, dessen Onkel und älterer Bruder die Familie von Catania leiteten, hatte einen gesuchten Ehrenmann zwischen zwei Verstecken zu chauffieren.

Begriff

Die Bezeichnung wurde ursprünglich nur für den US-amerikanischen Ableger der sizilianischen Mafia verwendet, seit Ende des Zweiten Weltkrieges wird auch die originäre sizilianische Mafia so bezeichnet.[5] Die Entstehung der Bezeichnung „Cosa Nostra“ als Eigenname kann nicht eindeutig geklärt werden. Es gibt die Vermutung, dass er unter italienischen Einwanderern in den Vereinigten Staaten entstanden war, welche bereits auf Sizilien zur Mafia gehörten. Da es nun eigentlich keine Bezeichnung für die Mitglieder in der Mafia gab und auch der Begriff Mafia ungebräuchlich war, soll unter den Sizilianern untereinander nur von „Unserer Sache“ gesprochen worden sein, die zunächst selbst nicht-sizilianische Italiener ausschloss. Die Mafiosi selbst nannten sich immer “uomo d’onore”, also „Mann der Ehre“.

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zur Amerikanisierung der Cosa Nostra in Sizilien. So wurde auch „Boss“ als Bezeichnung für das Oberhaupt üblich. Hier zeigte sich exemplarisch in den Begriffen ein struktureller Wandel. Am Anfang des 20. Jahrhunderts galt für das (häufig gewählte) Oberhaupt einer Familie noch die Bezeichnung „Repräsentant“ oder „Capo-Famiglia“. Der neuere Begriff Boss impliziert die veränderte Rolle des Anführers, der eine zunehmend autokratische Rolle in der Familie einnimmt. Während früher die Repräsentanten von den Mitgliedern gewählt wurden, geht die Nachfolge nun meist undemokratisch vonstatten und häufig beerbt jetzt einfach der Sohn seinen Vater als Boss. Im Gegensatz zum Begriff Mafia, der inzwischen im weitesten Sinne für jedwede organisierte Kriminalität verwendet wird, bezeichnet der Begriff Cosa Nostra tatsächlich nur die ursprüngliche Ethnie von Sizilianern, welche als kriminelle Vereinigung einschlägige Bandenkriminalität betreiben.

Öffentlich bekannt wurde der Begriff erst im Oktober 1963 durch die Aussagen des Mafiosos Joe Valachi vor dem McClellan-Committee, einem Untersuchungsausschuss des Kongress der Vereinigten Staaten. Valachi enthüllte vor dem Komitee, dass die amerikanische Organisation allgemein als amerikanische Cosa Nostra bezeichnet wird.[6]

Der Gebrauch des Begriffs Cosa Nostra auch in Italien durch offizielle Institutionen ist insbesondere durch die Verwendung in der Anklageschrift im Maxi-Prozess von 1986 durch Staatsanwalt Giovanni Falcone dokumentiert.

„Dies ist der Prozess gegen die „Cosa Nostra“ genannte Mafia Organisation […]“

– Beginn der 8607-seitigen Anklageschrift von Giovanni Falcone im Maxi-Prozess am 10. Februar 1986.[7]

Struktur

Die Mitglieder der Organisation sind in so genannte Familien oder Cosche aufgeteilt, denen jeweils ein Capo oder Boss vorsteht. Während zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Mitgliedschaft in der originären sizilianischen Mafia auch gleichzeitig zur Mitgliedschaft in der US-amerikanischen Cosa Nostra qualifizierte, änderte sich dies in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts und beide Organisationen gingen zunehmend getrennte Wege. Auf Sizilien wird sehr streng auf die Herkunft der Mitglieder geachtet, das heißt, es sind grundsätzlich Sizilianer. In den USA konnte diese Trennung innerhalb der Gruppen nicht aufrechterhalten werden. So öffnete sich die Unione Siciliana schließlich auch dem Nicht-Sizilianer Al Capone, und Lucky Luciano arbeitete sowohl mit dem Kalabresen Frank Costello, wie auch mit Vito Genovese, der Neapolitaner war, als auch Nicht-Italienern zusammen. So gehörte der irische Auftragsmörder Frank Sheeran zu den wenigen, denen seitens des FBI die tatsächliche Mitgliedschaft in der US-amerikanischen Cosa Nostra zugerechnet wurde.

In den 1930er Jahren wurde erst in New York City, dann auch USA-weit eine ‚Kommission‘ geschaffen, die sich aus den Bossen der Familien bildete und dazu gedacht war, um Streitigkeiten ohne interne Kriege zu lösen. Entsprechende Absprachen waren auch schon in Italien zwischen den dortigen Familien getroffen worden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden immer engere Verbindungen zwischen der italo-amerikanischen und der italienischen Mafia geknüpft (siehe Pizza Connection). 1957 wurde auf Grund der Notwendigkeit der Absprachen bezüglich des Heroinhandels in die USA eine Kuppel („cupola“) aus zunächst 12 Mitgliedern gebildet. Diese konnte allerdings die beiden großen sizilianischen Mafiakriege 1962/63 und 1981–1983 nicht verhindern. Seit dem zweiten Mafiakrieg ist die Kommission kein „demokratischer“ Verband mehr, sondern eine Institution, mit der die dominierende Fraktion ihren Willen in der gesamten Organisation durchsetzt.

Hirarchien

Die Hierarchie in der sizilianischen Mafia, die sich allerdings amerikanisiert hat, das heißt, der Terminus „Boss“ ist nun ebenfalls üblich, ähnelt in gewisser Weise dem Aufbau einer Römischen Legion und ist der Armee des Römischen Reiches angelehnt. Oft wird der Vergleich mit der inneren Struktur der katholischen Kirche gezogen.

  1. Commissione Interprovinciale (alle Capi Com., früher Kollegialorgan, seit den Corleonesi + Capo dei capi)
  2. Commissione Provinciale + Capo Commissione (Provinzkommission mit allen Capi Mand. + Provinzrepräsentant)
  3. Capo mandamento (Repräsentant von je 3 cosche, Familien)
  4. Capofamiglia/ Rappresentante (Repräsentant der Familie, Boss)
  5. Consiglieri (mehrere Berater)
  6. Capodecina („Zehnerboss“, direkter Boss einer einzelnen Gruppe von bis zu zehn „Ehrenmännern“), Capo steht hier für den Chef (Kopf) einer cosca (Gruppe).
  7. Soldati/Picciotti (normale Mitglieder/„Ehrenmänner“)

Eine Mitgliedschaft in der Cosa Nostra ist weiterhin eine von außen nicht leicht feststellbare Angelegenheit. Da das Gebot des Schweigens – die Omertà – aber unter dem seit 1992 wachsenden Verfolgungsdruck zunehmend von den Mitgliedern der Mafia selbst gebrochen wurde, hat sich die Informationslage für Außenstehende verbessert. Auch wenn ein Nicht-„Pentito“ schriftliche Belege über die Cosa Nostra anfertigt, wird dies prinzipiell als „Todsünde“ gewertet. So wurde 1969 der Tod von Michele Cavataio unter anderem auch deshalb beschlossen, weil er die Clans von Palermo und deren wichtigste Vertreter auf einem Lageplan verzeichnet hatt